Ein Projekt von Orts- und Gemeinderat und Rosdorfer Bürger*innen initiiert das Gedenken an das Opfer eines Neonazi-Anschlags im Jahr 1991.

2021 entschied der Rat der Gemeinde Rosdorf, getragen von allen Fraktionen und Gruppen, an einen Mord zu erinnern, der mehr als 30 Jahre zurückliegt. Seither diskutiert und plant eine Arbeitsgruppe des Ortsrats, gemeinsam mit Rosdorfer Bürger*innen, wie der Tat angemessen gedacht werden kann. Am 20.11.2022 wurde ein Erinnerungsweg durch Rosdorf eröffnet. An jeder der 10 Stationen kann ein Video per QR-Code abgerufen werden, in dem Zeitzeug*innen von Jugendlichen interviewt werden. Es gibt Führungen, Workshops und weitere Veranstaltungen (siehe unten).


Zum Hintergrund:

In der Neujahrsnacht 1990/91 wurde der 21 Jahre alte Rosdorfer Alexander Selchow auf dem Nachhauseweg von zwei rechtsextremen Tätern durch Messerstiche so schwer verletzt, dass er verstarb. Grund des Angriffs war die antifaschistische Haltung des Getöteten. Die damaligen Täter kamen aus Netzwerken von Neonazis, die noch heute aktiv und maßgeblich für zahlreiche Gewalttaten im Landkreis Göttingen verantwortlich sind. So ist der damals zur gleichen Neonazi-Gruppe wie die Täter gehörende Torsten Heise heute einer der führenden Naziaktivisten in Deutschland und laut Verfassungsschutzbericht dem rechtsterroristischen Spektrum zuzuordnen.

Die erschütternde Zahl von fast 200 durch Rechtsextremist*innen getöteten Menschen seit 1990 in Deutschland zeigt, wie wichtig es ist, klare Signale der Ablehnung von rassistischem und nazistischem Gedankengut in die Gesellschaft zu senden.

Das Gedenkprojekt Alexander Selchow möchte
– an den Mord erinnern
– die Auswirkungen auf das Leben im Ort zeigen
– neue Formen der Erinnerungskultur gemeinsam mit Rosdorfer*innen entwickeln
– diese Erinnerung grade für jüngere Menschen attraktiv gestalten
– sie dauerhaft etablieren.

Im Projektverlauf wurden Gespräche mit Zeitzeug*innen geführt und als Video aufgezeichnet. Die Interviews wurden von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen geführt. Die Filme sind nun Teil eines Erinnerungswegs, der an für die damaligen Ereignisse wichtigen Orten in Rosdorf vorbeiführt. An jedem Ort ist eines der Videos per QR Code abrufbar.

AKTUELL: Wir fordern mit der Rosdorfer Erklärung, den Mord an Alexander Selchow als politisches Verbrechen anzuerkennen. Hier geht´s zur Unterschriftenliste

Infostand und Führung auf dem Sommerfest am Familienzentrum

Wie im vergangenen Jahr gibt es auf dem Sommerfest am 2. Juli 23 ab 12 Uhr einen Stand. Hier können sich Interessierte über die Arbeit der AG Selchow informieren. Die Rosdorfer Erklärung kann unterzeichnet werden. Um 14 Uhr wird ein gemeinsamer Besuch des im letzten Jahr eingerichteten Erinnerungsweg stattfinden. Interessierte melden sich direkt am Infostand.

Geführte Rundgänge über den Erinnerungsweg

Bei den geführten Rundgängen über den im letzten Jahr eröffneten Erinnerungsweg Alexander Selchow werden neben den historischen Ereignissen rund um den Mord auch Einblicke in die Gedenkkultur vor Ort und in das Entstehen des Erinnerungswegs gegeben. Die Führungen finden kostenlos für interessierte Gruppen ab 6 Personen statt. Infos und Terminabsprache: info@alexander-selchow.de

Ausstellung im Gemeindesaal Voraussichtlich am Fr.,10. November 23 eröffnet im Gemeindesaal der St. Johanniskirche in Rosdorf eine Ausstellung zu rechten Morden in Niedersachsen in den vergangenen 35 Jahren. Im Rahmenprogramm wird es Vorträge geben. Öffnungszeiten und Termine werden rechtzeitig bekannt gegeben.


Bernd Schütze (Ortsbürgermeister Rosdorf): „Alle im Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppen haben nicht nur den Beschluss unterstützt, dass es eine Form des Gedenkens geben soll. Alle Fraktionen arbeiten auch aktiv mit in der Arbeitsgruppe, die das Projekt trägt. Das finde ich bemerkenswert.“

Julia Roesler (Theater- und Filmregisseurin): „Ich bin als Kind in Rosdorf aufgewachsen und habe die damaligen Ereignisse als 11-jährige mitbekommen. Der Mord an Alex hat mich und meine Familie stark aufgewühlt und das Leben danach verändert. Leider ist die Tat im Ort bislang nie öffentlich als gemeinsame Erfahrung reflektiert und diskutiert worden. Umso mehr freue ich mich, dass nun an Formen des Gedenkens gearbeitet wird, die diesem Bedürfnis Raum geben und hoffentlich eine intensive Aufarbeitung und Erinnerung anstoßen. Auch und vor allem, damit so etwas nie wieder passiert.“

Markus Müller (Mitinitiator): „Als Einwohner Rosdorfs hat es mich sehr gestört, dass Plakate, welche zur Erinnerung an den 30. Todestag von Alexander Selchow in Rosdorf aufgehängt wurden, zerstört oder beschmiert worden waren. Ein Gedenkprojekt, an dem sich möglichst viele Rosdorfer*innen beteiligen, kann dabei helfen, das Geschehene miteinander zu reflektieren und angesichts der hohen Zahl rechtsextremistisch motivierter Morde in den letzten 30 Jahren in den richtigen Gesamtkontext zu stellen. Eine interaktive Erinnerungskultur, die über ein statisches Gedenken hinausgeht, kann unser demokratisches Miteinander gegenüber autoritären Gesellschaftsentwürfen stärken sowie Hass und Gewalt zurückdrängen.“

Dieses Projekt ist Teil der „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Göttingen“, gefördert vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Weitere Mittel stammen vom Ortsrat Rosdorf, der Gemeinde Rosdorf und vom Landschaftsverband Südniedersachsen.

Weitere Informationen: info@alexander-selchow.de